Kerstin Gier: Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner
Kati, mit Felix verheiratet und sexuell
unbefriedigt, lernt Mathias kennen und verliebt sich in ihn. Soll sie
eine Affäre eingehen? Plötzlich wird sie von einer Bahn überfahren
und wacht im Krankenhaus wieder auf – vor fünf Jahren. Ihr stehen
nun alle Türen offen. Wie (anders) wird sie ihre Zukunft gestalten
und für welchen Mann entscheidet sie sich?
Lesegefühl: Durchgängiges Grinsen
Kerstin Gier, von der ich vorher noch
kein Buch gelesen habe, verbindet hier sehr gelungen klischeehaftes
Chick-Lit mit wundervoller Phantasie. Sexuell unbefriedigte Frauen
mit dem Wunsch nach einer Affäre sind ja eigentlich ein eher
durchgelutschtes Thema. Gerade dann, wenn Mathias auftaucht, klingeln
alle Klischeeglocken in meinem Kopf: Der wohl attraktivste Kerl weit
und breit verliebt sich unsterblich in die Normalo-Frau, die zur Zeit
zufällig unglücklich mit ihrer Ehe ist. Selbstverständlich hat man
da noch überhaupt keine Ahnung, wie das Ganze vielleicht ausgehen
könnte! Aus Prinzip verrate ich es nicht, trotz Ironie.
Auch Zeitreisen wie diese kommen in
solchen Romanen schon einmal vor, etwas gänzlich Überraschendes
findet sich in der Grundhandlung eher weniger.
Trotz der Klischees darf jedoch nicht
vergessen werden, dass hinter allem eine schöne Message steht. Die
kann jeder für sich interpretieren, für mich ist sie:
Empfinde mehr
Zufriedenheit mit dem, was du hast! Schätze die Menschen, die dir
wichtig sind!
Und wenn du alles anders machen
könntest – würdest du das auch? Allein, sich ein solches Szenario
vorzustellen, ist sicherlich eine interessante Erfahrung, die viel
über uns selbst verrät.
Die Pointen wirken jedoch frisch und
brachten mich in der überfüllten Bahn dazu, laut aufzulachen und
alle Blicke auf mich zu ziehen. Jedenfalls fühlte es sich so an.
Wahrscheinlich hat es doch niemanden interessiert.
Am Anfang und am Ende finden sich
Statements von Felix und Mathias. Die Binnenhandlung wird somit sehr
schön abgerundet – und der Leser dazu gelenkt, Felix sympathisch
zu finden und Mathias arrogant und beschränkt. Ich finde es so. Gibt
es wirklich jemanden, der Mathias lieber mochte?
Das Lesen wird auch durch farbige
Zitate, die am Anfang eines jeden Kapitels und zwischendurch zu
finden sind, besonders abwechslungsreich gestaltet. Sie passen
natürlich noch clever zum Kontext.
Auf dem Cover prangt ein grauer Esel. Ich mag Esel.
Das passt insofern gut, da Kati von
ihrem Mann Eselchen genannt wird. Wie die typische Protagonistin in
humorvollen Romanen ist sie außerdem tollpatschig – also: ein
Esel. Ich mag sie.
Um beinahe am Ende der Rezension zum
Anfang des Buches, dem Titel, zu kommen: Er besticht durch
Kreativität. Als ich die erste Werbung zum Roman sah, hatte ich
Mitleid mit dem Esel, dem weisgemacht wird, dass er gerade auf einer
zweitklassigen Wiese steht, wo doch direkt auf der anderen Seite viel
grüneres Gras wächst. Der arme Esel! Dabei frisst er doch so
genüsslich von dem Gerümpelgras! Die Metapher, die dahinter steckt,
ist natürlich klar. Kati ist der Esel, das Gras in ihrem Maul Felix.
Ja, der letzte Teil könnte überinterpretiert sein. Aber mich
amüsiert der Gedanke! Hach, man kann sagen, dass sehr viel Liebe in
dieses Buch gesteckt worden ist. Meine Augen haben sich auch
verliebt!
Der riesige Erfolg der Autorin wundert
mich nun überhaupt nicht mehr. An ihrer Art, zu schreiben und
Pointen zu verknüpfen, mit Klischees zu spielen und den Leser zu
überraschen, erkennt man ihre Erfahrung mit den weiblichen
Lachmuskeln. Sie weiß einfach, worauf die Dinger stehen!
Ein Foto vom Autor sollte eigentlich
kein Kriterium sein … Aber man findet, wenn man das Buch öffnet
und diese Einbandklappe hochnimmt (ich habe wirklich keinen blassen
Schimmer, wie das heißt), ein großes Bild von Kerstin Gier. Mit
einem Kuschelesel. Bitte, liebe Leute, kann man denn ein Buch
schlecht bewerten, wenn es von einer Frau geschrieben wurde, die mit
Eseln kuschelt? Den Satz merke ich mir, falls ich eines Tages selbst
ein Buch zustande bringen sollte.
Fazit: All die unsachlichen Kriterien, nach denen ich hier bewertet habe, ändern nichts am Lachmuskelkater. Wirklich lesenswert!
(Quelle: Lübbe)
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