Kammern des Schreckens

Dienstag, 3. Dezember 2013

Das Spiel mit den Klischees

                                     

Kerstin Gier: Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner   


Kati, mit Felix verheiratet und sexuell unbefriedigt, lernt Mathias kennen und verliebt sich in ihn. Soll sie eine Affäre eingehen? Plötzlich wird sie von einer Bahn überfahren und wacht im Krankenhaus wieder auf – vor fünf Jahren. Ihr stehen nun alle Türen offen. Wie (anders) wird sie ihre Zukunft gestalten und für welchen Mann entscheidet sie sich?


Lesegefühl: Durchgängiges Grinsen


Kerstin Gier, von der ich vorher noch kein Buch gelesen habe, verbindet hier sehr gelungen klischeehaftes Chick-Lit mit wundervoller Phantasie. Sexuell unbefriedigte Frauen mit dem Wunsch nach einer Affäre sind ja eigentlich ein eher durchgelutschtes Thema. Gerade dann, wenn Mathias auftaucht, klingeln alle Klischeeglocken in meinem Kopf: Der wohl attraktivste Kerl weit und breit verliebt sich unsterblich in die Normalo-Frau, die zur Zeit zufällig unglücklich mit ihrer Ehe ist. Selbstverständlich hat man da noch überhaupt keine Ahnung, wie das Ganze vielleicht ausgehen könnte! Aus Prinzip verrate ich es nicht, trotz Ironie.
Auch Zeitreisen wie diese kommen in solchen Romanen schon einmal vor, etwas gänzlich Überraschendes findet sich in der Grundhandlung eher weniger.
Trotz der Klischees darf jedoch nicht vergessen werden, dass hinter allem eine schöne Message steht. Die kann jeder für sich interpretieren, für mich ist sie: 
Empfinde mehr Zufriedenheit mit dem, was du hast! Schätze die Menschen, die dir wichtig sind!
Und wenn du alles anders machen könntest – würdest du das auch? Allein, sich ein solches Szenario vorzustellen, ist sicherlich eine interessante Erfahrung, die viel über uns selbst verrät.

Die Pointen wirken jedoch frisch und brachten mich in der überfüllten Bahn dazu, laut aufzulachen und alle Blicke auf mich zu ziehen. Jedenfalls fühlte es sich so an. Wahrscheinlich hat es doch niemanden interessiert.
Am Anfang und am Ende finden sich Statements von Felix und Mathias. Die Binnenhandlung wird somit sehr schön abgerundet – und der Leser dazu gelenkt, Felix sympathisch zu finden und Mathias arrogant und beschränkt. Ich finde es so. Gibt es wirklich jemanden, der Mathias lieber mochte?
Das Lesen wird auch durch farbige Zitate, die am Anfang eines jeden Kapitels und zwischendurch zu finden sind, besonders abwechslungsreich gestaltet. Sie passen natürlich noch clever zum Kontext.

Auf dem Cover prangt ein grauer Esel. Ich mag Esel.

Das passt insofern gut, da Kati von ihrem Mann Eselchen genannt wird. Wie die typische Protagonistin in humorvollen Romanen ist sie außerdem tollpatschig – also: ein Esel. Ich mag sie.
Um beinahe am Ende der Rezension zum Anfang des Buches, dem Titel, zu kommen: Er besticht durch Kreativität. Als ich die erste Werbung zum Roman sah, hatte ich Mitleid mit dem Esel, dem weisgemacht wird, dass er gerade auf einer zweitklassigen Wiese steht, wo doch direkt auf der anderen Seite viel grüneres Gras wächst. Der arme Esel! Dabei frisst er doch so genüsslich von dem Gerümpelgras! Die Metapher, die dahinter steckt, ist natürlich klar. Kati ist der Esel, das Gras in ihrem Maul Felix. Ja, der letzte Teil könnte überinterpretiert sein. Aber mich amüsiert der Gedanke! Hach, man kann sagen, dass sehr viel Liebe in dieses Buch gesteckt worden ist. Meine Augen haben sich auch verliebt!

Der riesige Erfolg der Autorin wundert mich nun überhaupt nicht mehr. An ihrer Art, zu schreiben und Pointen zu verknüpfen, mit Klischees zu spielen und den Leser zu überraschen, erkennt man ihre Erfahrung mit den weiblichen Lachmuskeln. Sie weiß einfach, worauf die Dinger stehen!
Ein Foto vom Autor sollte eigentlich kein Kriterium sein … Aber man findet, wenn man das Buch öffnet und diese Einbandklappe hochnimmt (ich habe wirklich keinen blassen Schimmer, wie das heißt), ein großes Bild von Kerstin Gier. Mit einem Kuschelesel. Bitte, liebe Leute, kann man denn ein Buch schlecht bewerten, wenn es von einer Frau geschrieben wurde, die mit Eseln kuschelt? Den Satz merke ich mir, falls ich eines Tages selbst ein Buch zustande bringen sollte.

Fazit: All die unsachlichen Kriterien, nach denen ich hier bewertet habe, ändern nichts am Lachmuskelkater. Wirklich lesenswert!




(Quelle: Lübbe)

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