Kammern des Schreckens

Samstag, 5. April 2014

I ♥ 12 Years a Slave (aber ich will kein Sklave sein)

Solomon Northup: 12 Years a Slave

( EINE WAHRE GESCHICHTE )


Er ist schwarz und als freier Bürger New Yorks geboren. Solomon Northup ist gebildet, talentierter Geiger, hat eine harmonische Familie. Betrüger schaffen es, sein Vertrauen zu erschleichen und ihn hereinzulegen. Hereinlegen klingt da noch harmlos: Sie bringen ihn zur Ohnmacht, entledigen ihn seines ganzen tragbaren Besitzes, machen ihn zu einem Sklaven. Sein Name lautet nun Platt, und keiner darf wissen, wer er wirklich ist. Ein neues, völlig anderes Leben beginnt für ihn. Er lernt verschiedene Facetten des Sklavenlebens kennen: seltener Respekt, gütige Herren, aber auch die häufiger vorkommende Spezies des Schlagenden, Beängstigenden. Peitschenhiebe, Strafen für Lobenswertes. Erst nach zwölf Jahren erfolgt die Rettung, doch die verlorene Zeit mit ihrem Vater kann den Kindern nicht zurückgegeben werden.

Freiheit, Demokratie, Gleichheit, das Recht, nach Glück zu streben. Der American Dream in seiner ursprünglichen Form bestimmte auch im Jahre 1841 das Leben des Solomon Northup, in dem Jahr seiner Entführung. Noble Ideen in einer meiner Meinung nach absolut defizitären Ausführung. Der Traum ist heutzutage ohnehin nur noch eine Farce, doch war er es damals nicht erst recht? Denn für einen Sklaven, oder schon einen freien Schwarzen, gilt Freiheit auf eine andere Art, häufig gar nicht. Einem Sklaven ist es verboten, sich zu bilden, verboten, nach Glück zu streben (ihm bleibt das Glück, welches sein Besitzer ihm lässt). Und von Gleichheit will ich gar nicht erst anfangen. Rassismus ist aktuell und wird es immer bleiben. Wenn wir alle dieselbe Hautfarbe hätten, dann würden solche diskriminiert, die kleiner oder zu groß wären, oder die sonstwie anders sind. Ich begreife diesen Teil im Großteil der Menschen nicht, dieses empörte Unverständnis jedoch ist der Wegbereiter für die Gefühle, die Northup durch sein bescheidenes Schreiben im Leser weckt. 


Natürlich weiß man nicht, wie viel von dem, was man liest, wirklich wahr ist. Die wichtigen Hintergrundinformationen gibt Northup, während er auf deren Nachweisbarkeit und Richtigkeit besteht. Ob er jedoch wirklich der Held war, wie das von ihm gezeichnete Bild manchmal zu verstehen gibt, wird man nicht herausfinden können. Und doch glaube ich ihm, denn es geht nicht darum, was bis ins Detail Fakt ist. Menschen sind und waren schon immer zu Grausamem fähig, das ist Fakt. Diesem speziellen Menschen ist Grausames widerfahren, auch Fakt. Darum geht es in dieser Geschichte, die ein Appell an Menschlichkeit und wahrer Gerechtigkeit ist. Sie beschreibt den innigen Wunsch, die Würde eines Menschen zu ehren und zu achten. Was auch immer Northup verschwieg, es gehörte ihm und seiner persönlichen Würde.

 Bald zweihundert Jahre später und doch kaum Besserung im Menschen, wenn überhaupt. Trafficking (Menschenhandel) nennt sich beispielsweise die Gräueltat, die häufig in Afrika stattfindet, aber auch in anderen Teilen der Welt: Ahnungslose Kinder werden auf ihrem Weg zur Schule verschleppt, damit sie auf Kakaobohnenplantagen pflücken, bis sie nicht mehr können. Sklaven auf die altmodische Art, zu einem modernen Zweck. Die Schokolade, die mit diesen Bohnen hergestellt wird, findet sich zumeist in unseren Supermärkten und letztlich unserem eigenen Magen wieder. Sind wir somit nicht auch auf eine Weise Sklavenhändler?


Trotz ernsten Themas bleibt der Lesespaß um des Lesens willen nicht außen vor. Mit viel aufgeklärtem Verständnis, philosophischen, traurigen, aber auch schönen Momenten tastet sich die Geschichte sanft ins Leserherz. Besonders nachdenklich stimmt folgender Gedanke: Es gab auch Herren, die gütig waren, bei denen man als Sklave großes Glück hatte, zu arbeiten. Und doch blieb die Abneigung, denn es ist trotz alledem von Grund auf falsch, Herr über andere Menschen zu sein.


Ein Widerspruch bleibt jedoch, eine Unstimmigkeit, die mich nicht loslässt. Northup sieht die Gleichheit in allen Menschen, Tiere jedoch schließt er aus. Es ist eine Sache, über die sich streiten lässt, aber meiner Meinung nach steht der Mensch auch nicht über den Tieren, genausowenig wie über anderen Menschen. Keinerlei Zögern verspürt Northup, mit der Peitsche die Hunde zu schlagen, von denen er denkt, sie würden ihn ansonsten an einer Flucht hindern. Mag sein, dass die Tat unvermeidlich hätte sein können, wenn nicht gar lebensrettend. Trotzdem hätte ich bei der humanen Denkweise des Mannes wenigstens ein wenig Unbehagen erwartet. Trotz der Zeit, in welcher er lebte. Dieser Widerspruch reicht jedoch nicht aus, dem Roman einen Stein ins Getriebe zu legen.

Spätestens seit den letzten Oscars ist der Film zu dieser wahren Geschichte in aller Munde. Ich habe den Film noch nicht gesehen, freue mich aber über seine Reputation - so erhält das Leben des Solomon Northup die Anerkennung, die Bekanntheit, die ihm gebührt. 

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Erschienen am: 17.02.2014
Seiten: 288 (Taschenbuch)
ISBN: 978-3-492-30614-0
Preis: 9,99€ [D]

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Das war der erste Roman, der mir auf Anfrage direkt vom Verlag geliefert wurde, und ich finde: Ein perfekter Anfang! Ich bedanke mich hier nochmal herzlichst beim Piper-Verlag.


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