Kammern des Schreckens

Montag, 7. April 2014

Von Pizzen und Liebe und Edgar und so weiter.


Tinka Wallenka: Chroniken eines Pizzalieferanten



Micha wartet auf einen Studienplatz und ringt sich zu einem Nebenjob durch: Er wird Pizzalieferant. Außerdem hat sich ein Untermieter und ständiger Schatten bei ihm eingenistet. Ein Hundschwein, oder Schweinehund. Edgar. Keiner kann ihn sehen, außer natürlich Micha - sonst wäre das ja sinnlos. Michas neue Chefin ist übrigens eine exotische Schönheit, in die er sich prompt - zisch! - verliebt, Hals über Kopf. Wie das mit exotischen Schönheiten nun einmal so ist. In die verliebt man sich halt - zisch! - sofort. Was Micha beim Ausliefern von Salat, Pizza und Co. erlebt und inwiefern ein Schweinehund sein Leben bereichert, beschreiben die Chroniken.

Tinka Wallenkas Debüt ist schlichtweg keine Meisterleistung. Trotz des originellen Titels.

Aber manchmal geht es auch einfach nur darum, zu Schreiben, und nicht darum, Erhabenes zu schaffen. Von Autoren in ihrem Alter hat man schon sehr viel Besseres gelesen, aber die haben dann auch oft eine derartige Ausbildung genossen. Nicht so Tinka Wallenka: Sie schreibt von ihren eigenen Erfahrungen als Lieferantin in der Gastronomie. 
In meiner Bewertung werde ich beachten, dass es Tinkas Debüt ist, dass sie (wie ich vermute) nicht wirklich schreiberisch ausgebildet wurde und dass es sich um eine Kurzgeschichte handelt, die beispielsweise für detaillierte Figurenausarbeitung  keinen Platz hat. Das ist zwar möglich, aber sehr schwer, und ich glaube, nur wirkliche Genieschreibergötter schaffen das. Hach!

Trotzdem gibt es ein paar Schwächen, auf die ich eingehen möchte, weil ich sicher bin, dass die junge Autorin sich verbessern kann. Aber auch auf Stärken, die weiter ausgebaut werden sollten.

Einige schöne Anekdoten machen die dynamische, schon irgendwie kitschige Liebesgeschichte zwischen Micha und Jill (die exotische Schönheit) erträglich. Wegen dieser Momente habe ich mein Interesse an dem Werk bekundet und wurde nicht enttäuscht. 

Der Schweinehund Edgar, dessen Metaphorik meiner Meinung nach problematisch, aber denkbar ist, hat mehr Seele als alle "realen" Figuren zusammen. Ich finde keineswegs, dass die Geschichte ohne Edgar funktioniert hätte, denn nur durch ihn ist das überraschende Ende überhaupt möglich. Das überraschende, aber ganz und gar geheime Ende. Denn ich verrate nichts! Nur so viel: Es hat mich wirklich überrascht (überrascht, überrascht) und noch einmal für eine Vollzirkulation meiner Meinung zu diesem Buch gesorgt.

Ich finde persönlich auch, dass der Verlag ein bisschen unklug getüftelt hat. Es mag Leute geben, die den Preis von 5,90€ für eine Kurzgeschichte angemessen oder gar günstig finden, ich jedoch bin anderer Meinung. Wenn man den Bekanntheitsgrad der Autorin und die allgemeine Qualität der Geschichte beachtet, wäre ein Preis von etwa 3€ sehr viel angemessener. Das kann ich natürlich nur aus der Konsumentensicht beurteilen.

Das Cover passt zudem nicht zum Inhalt und es gäbe noch einiges an Flüchtigkeitsfehlern zu korrigieren. Ich weiß auch, dass es bei einer Rezension um die Geschichte und nicht den äußeren Zinnober gehen sollte, aber wenn der Verlag zu kritisieren ist, hat häufig auch die Geschichte darunter zu leiden. Leider!

Übrigens gab es einige Stimmen, die klingen ließen, das Cover hätte etwas Zeitloses an sich. Ja, klar! So ein Gewurstel ist ja irgendwie immer zeitlos, weil man es zu allem nehmen könnte, ohne dass es in einer Art und Weise Individualität auch nur im Entferntesten ausdrücken würde. Der Verleger soll eine Pizza im Hintergrund für zu banal befunden haben - ich hätte es genial gefunden. Da finde ich diese Berlin-Tag-und-Nacht-Grafik banaler. Oder? Nicht, dass ihr Fans seid. Das wäre mir jetzt peinlich.


Ich muss zugeben, ich mag unperfekte Werke. Da hat man direkt Lust, auch wieder zu schreiben. Man merkt, dass die Autoren auch nur Menschen sind und vor allem erkennt man gerade bei den Chroniken eines Pizzalieferanten den Spaß des Lernenden am Erschaffen. Ich kann mir bei einigen Formulierungen bildhaft vorstellen, welche Freude Tinka daran hatte, sie niederzutippen. Obwohl das Wort tippen an sich dem Ganzen schon wieder die Romantik stiehlt. So könnte ich echt stundenlang an der Rezension sitzen und am Ende mehr schreiben als Tinka selbst.

Nun bin ich ja bloß eine kleine Bloggerin und erlaube mir hiermit, ausnahmsweise sehr subjektiv zu sein: zwei besonders amüsante Vergleiche mit, beziehungsweise direkte Anlehnungen an Star Wars erweichten mein nerdiges Fleckenherz und ließen es ein klein wenig höher schlagen. Solche bildliche Elemente hätten häufiger vorkommen können und sorgten dafür, dass es wirklich nicht langweilig wurde, zu lesen. 

Fazit: Ich würde mir das Buch wegen des Preises nicht einmal kaufen, wenn ich Geld aus dem Fenster zu werfen hätte. Der Inhalt ist jedoch kurzweilig zu lesen und bereichert insofern, dass die Freude am Schreiben durchdringt. Es handelt sich nicht um ein perfektes Debüt, aber ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.

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Erschienen: 16.01.2014
Seiten: 51 (Taschenbuch)
ISBN: 978-3-9442277-05-8
Preis: 5,90€
Für weitere Informationen:
[Wobei da auch nichts weiter zu finden ist - nicht einmal das Erscheinungsdatum, oder bin ich blind?]

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Ich bin jetzt wirklich neugierig auf den Titus-Verlag. Das Logo ist ja nicht schlecht, aber irgendwie gefällt mir was an ihm nicht. Er braucht auf jeden Fall noch eine Menge Arbeit. Habt ihr Erfahrungen mit ihm gemacht?

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(Quelle: Titus-Verlag)

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