Kammern des Schreckens

Sonntag, 7. September 2014

Nicht unbedingt unvergesslich, aber auch nicht übel.

Rowan Coleman
Einfach unvergesslich






Claire findet, dass sie im Grunde zu alt ist für ihren Ehemann Greg. Sogar Caitlin, ihre Tochter, meint, es wäre logischer, wenn sie selbst mit ihm eine Beziehung führte - nicht, dass sie es so wollte. Niemals. Aber theoretisch?

Nun ist es vollkommen egal, wofür Claire zu alt ist. Für eines ist sie unumstritten zu jung: Alzheimer. Der Nebel, der sich in ihrem Geist ausbreitet, ein ihr verhasster, dicker Nebel, findet das ganz und gar nicht.



Ein weiterer Roman über die Tücken des Vergessens. 

Alzheimer lässt uns alle schaudern, egal, ob wir bereits Umgang mit Patienten hatten, jemand Betroffenes in der Familie, oder ob wir uns einfach vorstellen: Was wäre, wenn? 

Insofern lässt sich trocken behaupten, dass dieses Thema für eine Geschichte, die unter die Haut gehen soll, schon einmal die beste Grundlage bietet. Geht immer. Und ist auch immer irgendwie faszinierend. Inwieweit die geschilderten medizinischen Umstände der Wahrheit entsprechen, kann ich als Laie kaum beantworten. Für mich klang das alles ganz glaubwürdig. Aber wie soll ich das objektiv bewerten? Immerhin haben sogar mir die Tränendrüsen gejuckt. 

Eine sehr einfache Sprache mit einem bisschen "hyper" und "mega" zeichnet den Roman wie ein Jugendbuch aus. (Nein, nicht wie schlechte Techno-Töne.) Dadurch werden Perspektivwechsel zwar gestützt und angereichert, der Gesamtanspruch liegt jedoch somit lediglich bei dem Thema der Demenz, weniger bei der literarischen Darstellung. Das kann man so oder so sehen. Die aufgebauten Emotionen gehen hier ganz unverblümt auf den Leser über, zugleich mutet die Atmosphäre so typisch und alltäglich an, dass man sich umso besser in die Rolle der Protagonisten hineinversetzen kann. Das ist für einen Roman, der von den (unterdrückten) Tränchen der Leser lebt, entscheidend. Außerdem denkt ein Mensch, dessen Geist dem Verfall unterliegt, zunehmend einfacher. Bei Claire ist es sogar so, dass sie sich in ihre Jugendzeit zurückversetzt fühlt und sich an frische Liebe klammert, vom Simpelsten lebt und überlebt. Sie weist immer mehr Parallelen zu ihren beiden Töchtern auf. 

Wenn nun aus Caitlins Sicht erzählt wird, die typische Mädchen-Jugendbuch-Probleme hat, und dann aus der Sicht ihrer kranken Mutter, die nun ebensolche Probleme zu haben denkt, sind die Perspektiven und Erinnerungen von Oma Ruth und Greg frischer Wind. Irgendwie erwachsene Luftbläschen. Die Autorin schafft hier einen wirklich notwendigen Ausgleich.
Was das Ende angeht, von dem hier nichts verraten wird: Ich halte es für einen Hauch in die Länge gezogen. Als ich den "Das war's"-Moment hatte, diesen Seufzer, auf den normalerweise ein Buchzuklappen folgt, ging es noch weiter. Aber das ist nicht weiter wichtig, wenn man bedenkt, dass womöglich andere Leser diesen seltsamen "Das war's"-Moment genau dann haben, wenn es das auch wirklich war. Ich mag es nur nicht, wenn man sich an einem Punkt alle möglichen bisher offenen Fragen selber beantworten kann und dann trotzdem eine Erklärung auf alles folgt. Es sei denn, es handelt sich um einen Krimi, denn da liege ich meistens falsch.

Was diesen Roman vor allem ausmacht, ist nicht die Tragik seines Themas der Krankheit. Vielmehr scheint er eine Hommage an Liebe und Familienverbundenheit zu sein. Coleman schreibt über die eigentümliche Liebenswürdigkeit von Frauen in verschiedenen Generationen; dass sie einander ebenso ähneln wie sie sich unterscheiden, und dass eben hier die Quelle des starken Zusammenhalts liegt, stärker sogar als unüberwindbare Schicksalsschläge. All das bewerkstelligt Rowan Coleman hier wunderbar - da darf die Sprache ruhig etwas einfacher sein.

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Erschienen: 11.08.2014
Verlag und Bildquelle: Piper
Seiten: 416 (Paperback)
ISBN: 978-3-492-06001-1
Preis: 14,99 € [D]


Übrigens: Die Farben des Covers weichen etwas ab. Im "RL" sind die Kreise neonorange.

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